Dienstag, 21. April 2009

mutprobe No.2

Nachdem ich es ja nun schon vor geraumer Zeit angekündigt hatte, kommt hier jetzt der nächste Teil der Mutprobe ...
Hoffe, der Text gefällt euch. Ursprünglich hatte ich vor, ihn bei einem Literaturwettbewerb einzureichen, aber da ich (mal wieder) den Abgabetermin versäumt hatte, kriegt ihr ihn jetzt zu lesen ...

ok .. here we go

p.s.: bin froh über feedback


Meine Haare


Ursprünglich waren sie mal goldblond gewesen. Und lang.

Meistens von meiner Mutter in einen strengen Zopf geflochten, zusammengepfercht in erzwungener Form, und eigentlich fast nie so, wie ich sie am liebsten mochte:

Offen und wallend, nur mit einem Stirnband zurückgehalten, so dass sie mir bis über die Hüften reichten.

Später hatte ich sie mir dann schneiden lassen. Von hüft- Auf schulterlang.

Mama weinte bittere Tränen.

Aber ich fühlte mich frei und leicht.

Federleicht.

Und glücklich. So glücklich.

Irgendwann war ich dann nicht mehr glücklich. Und weinte bittere Tränen über das Ende meiner ersten Beziehung.

Wieder ging ich in einen Friseursalon.

Kurz und fedrig waren sie nun, und ich sah mir kein bisschen mehr ähnlich.

Irgendwann war ich dann auch nicht mehr blond.

Ich war Kupfer. Und Aubergine. Und Kirsche. Und Schokolade.

Ich formte mir mithilfe von kleisterartigen Substanzen spitze Stacheln auf den Kopf, fast so undefinierbar wie mein eigener seelischer Zustand.

Danach wurden die Stacheln zu rötlichen Federn. Rötliche Federn, die mich fast genauso lustig aussehen ließen wie Pumuckl.

Über diese rötlichen Federn fährt gerade ein Elektrorasierer.

Sie sind nicht mehr ganz so dicht wie sonst, weisen etliche kahle Stellen auf.

Ich sehe das alles nicht.

Ich sitze nämlich auf einem kleinen Hocker im Badezimmer und der Spiegel vom Alibert hängt ungefähr dreißig Zentimeter zu hoch.

Es tut mir nicht leid.

Ich bin froh, dass ich es nicht sehen muss.

Nicht glücklich. Froh.

Ich spüre, wie der Scheraufsatz meine Kopfhaut berührt.. Gänsehaut.

Ich schaue auf den Boden und sehe büschelweise rote Federn auf den Fliesen liegen.

Meine Haare. Meine über alles geliebten Haare. Mein Seelenspiegel. Ein Opfer der Schermaschine an Heiligabend.

Endlich gibt der Rasierer Ruhe.

Ich fahre mir vorsichtig mit der Hand über den Kopf und zucke zurück.

Blanke, nackte Haut. Keine Federn mehr.

Ich nehme die khakifarbene Wollmütze und ziehe sie mir über den Kopf .

Sie wird für die nächsten Monate die roten Federn ersetzen.

Ich stehe auf und schaue in den Alibert. Erschrecke vor mir selbst.

Nun bin ich also eine echte Krebspatientin. Mit Glatze. Wie sich das gehört.

Dies ist ein weiterer Abschnitt meines Lebens. Der wahrscheinlich schwerste.

Wie ich ihn meistern werde?

Keine Ahnung.

Aber eines steht schon fest : Ich werde es ohne Haare tun.


2 Kommentare:

  1. Der Text löst eine Regung in mir aus, aber ich bin mir im Moment noch nicht so sicher welche das genau ist.

    Ich muss es noch ein wenig auf mich wirken lassen... okay? ;-)

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  2. Erst mal rießen Respekt vor deiner Kraft! Und ich muss sagen der Text gefällt mir sehr gut.. die roten Federn.. klingt toll:)
    Mach weiter so. Wir brauchen Nachschub :)
    hdl mika

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